Literaturwerkstatt

Marc lehnte sich genüsslich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Grace, die Frau neben ihm, verließ das Bett, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Sie warf sich einen Morgenmantel über und setzte sich an den Schminktisch. Im Spiegel sah sie, wie ihn ihr Verhalten irritierte, aber er wäre nicht Marc Jäger, wenn er sich diesen Fakt lange anmerken ließe. Amüsiert begann sie damit, ihr Make-up aufzufrischen.

„Was ist los mit dir?“, fragte er nach einer Weile. „Hast du heute Abend noch was vor, dass du dich so aufbrezelst?“
„Schätzchen, als Medienstar muss ich immer gut aussehen.“
Marc schnaubte. „Medienstar ... Nur weil du vor dem Bluescreen herumhampelst und Temperaturen ansagst?“
„Ist da jemand eifersüchtig, dass ich mehr Follower auf Facebook habe?“, konterte sie, ohne das Wimperntuschen zu unterbrechen. „Überhaupt, liest du auch nur vor, was dir der Teleprompter anzeigt.“
„Da gehört viel mehr dazu und das weißt du auch.“ Beleidigt stieg er aus dem Bett und drückte seine Zigarette aus. Das Gespräch verlief eindeutig nicht so, wie er es geplant hatte. Graces Grinsen wurde breiter.
„Außerdem war ich wohl bedeutend genug, um dich überhaupt zum Sender zu bringen“, bemerkte er, als er seine Hose anzog.
Die junge Frau zupfte ihre Frisur zurecht. „Etwas, wofür ich dir ewig dankbar sein werde“, flötete sie. „Dann hast du aber eine seltsame Art, das zu zeigen.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Ich habe es dir doch gerade gezeigt. Und du schienst es sehr zu genießen.“
„Oh, du schläfst aus Dankbarkeit mit mir?“ „Natürlich. Was hattest du denn gedacht?“ Sie machte eine wohl platzierte Pause. „Oh, nein, du dachtest doch nicht etwa, dass wir wieder zusammen kommen?“ Die junge Frau stand auf, ging zu ihm und strich ihm durch sein Haar. „Armes Schätzchen!“ Er schlug ihre Hand weg. „Lass das!“ „Schade“, seufzte sie und kehrte zu ihrem Schminktisch zurück. „Ich hatte mir ein schöneres Ende gewünscht.“
„Was soll das denn nun wieder heißen?“, fragte er wütend. „Dass das wahrscheinlich unsere letzte Verabredung war.“ Und mit einem süffisanten Lächeln fügte sie hinzu: „Als Wetteransagerin von HQ-News kann ich wohl kaum mit dem Nachrichtensprecher der Konkurrenz schlafen.“
Grace genoss den überraschten Ausdruck auf dem Gesicht ihres Gegenübers. „Du verlässt den Sender?“ Doch Marc brauchte nicht lange, um sich zu fangen. „Das kannst du nicht machen! Wir sind ein Team! Die Leute lieben uns!“
„Die Leute lieben vor allem mich“, stellte sie klar. „Und deshalb habe ich ein besseres Angebot bekommen und mich entschlossen, es anzunehmen.“ Marc ging einen Schritt auf sie zu. „Du glaubst wohl, du kannst dir alles erlauben? Aber ich warne dich, dein hübsches Gesicht wird dich nicht immer retten.“
„Bisher hat es mich nicht im Stich gelassen.“ Sie öffnete ihm die Tür. „Ich denke, du solltest jetzt gehen.“
Wutentbrannt stürmte er an ihr vorbei. „Glaub mir Grace, die Sache ist noch nicht zu Ende.“ Dann stapfte er durch den grauen Flur des Produktionsgebäudes davon.
„Grüß Susi von mir!“, rief ihm die junge Frau noch hinterher, dann schloss sie die Tür und ließ sich auf den Stuhl vor ihrem Schminktisch fallen. Das wäre also geschafft.
Gerade als sie nach ihren Ohrringen greifen wollte, klopfte es an der Tür. Hatte sich Marc jetzt doch noch ein paar passende Sätze zurechtgelegt? Seufzend erhob sie sich. „Marc, ich weiß wirklich nicht ...“ Sie stoppte, als sie die Tür öffnete und ins Leere starrte. Zögernd sah sie nach links und rechts. Doch da war nur der graue Flur. Sie trat einen Schritt nach draußen. „Hallo?“
Grace bemerkte die Gestalt hinter ihr erst, als die Schlinge schon um ihren Hals lag.

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